Januar 2020 – Nach einer mehr als zehnjährigen Aufwärtsbewegung an den Börsen sind Aktien nach Ansicht vieler Experten deutlich überbewertet, was viele Crash-Propheten auf den Plan ruft. Aber stimmt das auch? Tatsächlich gibt es viele sogenannte Wachstums- und Qualitätsaktien, die nach absoluten Bewertungskennzahlen sehr hoch bewertet sind. Unter Berücksichtigung des historisch niedrigen Zinsniveaus relativiert sich diese Betrachtungsweise aber schnell.
Zudem gibt es jede Menge Value-Aktien, die niedrig bewertet sind und weit unter ihren Höchstkursen notieren – oft sogar deutlich unter dem Zwischenhoch, das vor zwanzig Jahren Anfang 2000 erreicht wurde. Nun könnte man glauben, es handele sich hier um Titel von Unternehmen mit ungünstigen Zukunftsaussichten. Doch weit gefehlt! Jedenfalls wenn man davon ausgeht, dass Wachstum nur durch neue Produkte und Herstellungsverfahren entstehen, die Kosten senken oder zusätzliche Absatzpotentiale eröffnen. Ich möchte deshalb heute auf solche preiswerten Innovatoren eingehen. Dabei beziehe ich mich auf einen Artikel im Handelsblatt vom 22. November 2019 (Kreativ nach Plan).
Innovationen sind schon immer entscheidend für Unternehmen gewesen. Derzeit entsteht an der Schnittstelle zwischen analogen und digitalen Technologien, zwischen Software und Hardware die Zukunft. Das Unternehmen Patentsight hat eine Methode entwickelt, das nicht nur die Zahl sondern auch die Relevanz von Patenten bewertet. Auf Basis dieser Daten hat die Schweizer Beratungsgesellschaft Econsight eine Rangliste der Unternehmen zusammengestellt, die auf diesem derzeit wichtigsten Innovationsfeld führend sind. Egal, ob es sich um selbstfahrende Autos, selbstlernende Computer, intelligente Industrieroboter, digitale Medizintechnik oder die Industrie 4.0 handelt. Das Ergebnis wird Sie überraschen!
Die weltweit erfolgreichste Innovationsarbeit leistet die südkoreanische Gesellschaft Samsung Electronics, deren Aktie seit vielen Jahren zu meinen Favoriten gehört. Samsung ist Weltmarktführer bei drei Schlüsselprodukten der digitalen Epoche: Bei Speicherchips, Smartphones und Displays. Selbst am Tiefpunkt der Speicherchipkonjunktur erzielt das Unternehmen immer noch eine zweistellige Gewinnmarge. Doch auch bei Mobilitäts- und Gesundheitsthemen hat sich die Gesellschaft eine Spitzenstellung erarbeitet. Auch bei den Forschungsausgaben führt Samsung mit 13,4 Mrd. Euro in 2018 das globale Ranking an. ‚Unbarmherzige Selbsterneuerung in Zeiten unvorhersehbaren Wandels‘ ist das Firmenmotto. Die Aktie hat 2019 bereits über 44% zugelegt. Mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von 13 auf Basis der für 2020 erwarteten Gewinne, einem Kurs/Buchwert-Verhältnis von 1,4 und einer Dividendenrendite von 2,5 % ist sie aber immer noch moderat bewertet.
Noch zurückgeblieben und mit einem Kurs/Buchwert von 0,85 und einem KGV von 8,7 (2020e) niedrig bewertet ist mit LG Electronics ein weiteres südkoreanisches Konglomerat. LG liegt auf Platz drei der innovativsten Unternehmen weltweit. Und ist besonders stark in der Robotik (Platz 6), aber auch beim autonomen Fahren (Platz 12) und in der Medizintechnik (Rang 21).
LG Electronics – 5-Jahres-Chart
Bei dem Innovationsranking 2019 für deutsche Unternehmen liegt Volkswagen auf Platz 1. Das Unternehmen gilt als führender Innovator an der Schnittstelle zwischen analogen und digitalen Technologien. Die Wolfsburger punkten vor allem beim autonomen Fahren und bei der Robotik mit der Industrie 4.0. Ich selbst finde aber die Porsche Vorzüge interessanter, die 52% der VW-Stammaktien besitzen und noch niedriger bewertet werden.
Auf Platz 3 folgt Siemens, denen man ja eine gewisse Expertise im Bereich Automatisierung, Digitalisierung und medizinische Diagnose unterstellen kann. Anfang November haben Insider um CEO Joe Käser und Dr. Roland Busch für knapp 5 Millionen Euro eigene Aktien gekauft – zu einem Kurs von 112,54 Euro. Eine ungewöhnlich große Transaktion, die für die eigene Überzeugung spricht.
Überraschenderweise finden sich unter den Top 10 mit BMW, Continental, BASF und Bayer auch Unternehmen, deren Notierungen derzeit weit abgeschlagen sind und die aktuell mit Problemen zu kämpfen haben. BMW und Conti sind im Bereich des autonomen Fahrens weltweit unter den TOP 10, was sich langfristig auszahlen dürfte. Besonders die BMW Vorzugsaktien scheinen zurückgeblieben und bei einem Kurs von 55 Euro extrem niedrig bewertet. Meines Erachtens handelt es sich bei dem Unternehmen mit seinen Prämiensegmenten bei Autos und Motorrädern sowieso eher um eine Lifestyle-Geschichte.
BMW Vorzüge – 5-Jahres-Chart
Bei Bayer ist der Aktienkurs vor allem wegen des Prozessrisikos hinsichtlich der Krebsrisiken bei Glyphosat gedrückt. Dies scheint in den aktuellen Notierungen bereits mehr als kompensiert zu sein. Jüngst hat das Unternehmen in dieser Frage sogar Unterstützung von den amerikanischen Behörden erfahren.
Bayer – 5 Jahres-Chart
Nicht verschwiegen werden soll, dass alle im heutigen Brief genannten Aktien von mir selbst gehalten werden, meine Meinung also nicht objektiv sondern subjektiv gefärbt ist. Und dass es sich hier nicht um Empfehlungen handelt und jeder für sein Tun selbst verantwortlich ist.
Peter E. Huber
Oberursel, den 6. Januar 2020