Deutliche Börsenkorrektur: Zum Verkaufen zu spät, zum Kaufen zu früh?

April 2025

„Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.“

Antonio Gramsci, 1930

Liebe Börsenfreunde,

nach einem verheißungsvollen Start ins Börsenjahr 2025 bescherte der März vielen Anlegern schmerzhafte Kursverluste. Besonders traf es mit den amerikanischen Technologiewerten die Publikumslieblinge der letzten Jahre. Allen voran die „Magnificent 7“, die im ersten Quartal auf Euro-Basis über 20% verloren. Und dies ausgerechnet, nachdem zahlreiche Experten nach dem Wahlsieg von Donald Trump das Zeitalter des amerikanischen Exzeptionalismus ausgerufen haben und damit noch einmal massive Kapitalströme aus der ganzen Welt an die Wallstreet lockten. Doch auch die zuvor gehypten Wachstumswerte in Europa wie Novo Nordisk oder ASML wurden hart gerupft.

Richtig blutig wurde es allerdings erst, als Donald Trump Anfang April am „Befreiungstag“ (Liberation Day) im Rosengarten des Weißen Hauses mit dem Zollhammer zuschlug. Und dies mit einer Stärke, die selbst die schlimmsten Befürchtungen bei weitem übertraf. Niemand kann abschätzen, ob er damit tatsächlich eine isolationistische Politik einleitet oder nur seine Handelspartner erpressen will. Mit dieser Unsicherheit kommen die Börsen am schlechtesten zurecht.

Unsere Skepsis gegenüber den vermeintlichen Wachstumswerten hat sich wieder einmal bestätigt. Auch an der Börse wachsen die Bäume eben nicht in den Himmel. Unser Credo lautet, dass man nicht (vermeintlich) gute Aktien kaufen, sondern Aktien gut kaufen sollte. Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an. Als Antizykliker investiert man am besten dann in Aktien, wenn sie keiner haben will. Solche Gelegenheiten sind natürlich rar gesät, wenn sich zahlreiche Börsen in der Nähe historischer Höchststände befinden. Vor ein paar Monaten haben wir mehrfach auf chinesische Aktien und Goldminen hingewiesen, die allgemein als „nicht investierbar“ galten. Beide Marktsegmente sind inzwischen deutlich angestiegen.

Europäische Aktien: Trendwende oder Strohfeuer?

Der EuroStoxx-50-Index konnte vor kurzem erstmals sein Hoch aus dem Jahr 2000 bei 5.500 Punkten überwinden. 25 Jahre Stagnation, außer Dividenden nichts gewesen, während sich die Unternehmensgewinne im Schnitt mehr als verdoppelt haben. Doch die Entwicklung seit Jahresanfang macht Hoffnung auf eine Trendwende. Europäische Aktien konnten trotz der Kursverluste im März im 1. Quartal 6,3% zulegen (gemessen am STOXX Europe 600-Index). Man fragt sich nun, ob diese positive Entwicklung fortgesetzt werden kann oder der von den USA entfachte Handelskrieg eine neue Baissephase einläutet.

Prinzipiell sieht es auf mittlere Frist gar nicht so schlecht aus. Nach einer längeren wirtschaftlichen Schwächephase deuten die konjunkturellen Frühindikatoren auf eine leichte Konjunkturbelebung in Europa hin. So konnten sich die Einkaufsmanager-Indices (PMI) für das verarbeitende Gewerbe deutlich von ihren Tiefstständen lösen. Impulse könnten auch von den deutschen „Sondervermögen“ ausgehen, schließen sich die anderen europäischen Länder doch liebend gern der Schuldenorgie an. Auch Produktivitätsgewinne durch den verstärkten Einsatz von KI sind möglich. Und nicht zuletzt wirken die schnellen Zinssenkungen durch die EZB unterstützend.

In einer solchen Börsenphase lenken zwei frühzyklische Schlüssel-Branchen die Aufmerksamkeit auf sich, die sich aktuell in einer massiven Strukturkrise befinden und deren Aktien entsprechend niedrig bewertet sind: Automobil und Chemie.

Autoaktien : Im perfekten Sturm!

In der Autoindustrie und bei ihren Zulieferern kumulieren sich die Krisensignale nicht erst seit den Exportzöllen von Trump in eklatanter Weise. Angefangen hat es mit dem Verbrenner-Verbot ab 2035 durch die EU und drohenden Milliardenstrafen aufgrund unrealistischer Emissions-Vorgaben. Man wollte eine schnelle Umstellung auf E-Autos erzwingen ohne zu berücksichtigen, ob die Auto-Käufer da auch mitmachen. Dann haben die Europäer auf Druck unserer amerikanischen Freunde gegenüber China, dem wichtigsten Abnehmerland, ein Feindbild aufgebaut. Frau von der Leyen und Frau Baerbock reisten extra nach Peking, um dem Präsidenten Xi Sanktionen anzudrohen, wenn er weiter Russland unterstützt. Das kam in der chinesischen Öffentlichkeit schlecht an und seitdem ist es kein Statusgewinn mehr, wenn ein BMW in der Einfahrt steht. Ganz abgesehen davon, dass chinesische Autos inzwischen vom Preis/Leistungsverhältnis zumindest ebenbürtig sind.

Zusätzlich befeuert durch die miserablen Standortfaktoren (Energiepreise, Arbeitskosten, hohe Steuern, Bürokratie, Infrastruktur) geht es für die Autoindustrie und ihre Zulieferer ans Eingemachte. Allerdings sind diese Fakten bereits allgemein bekannt und dürften deshalb weitgehend in den Aktienkursen enthalten sein. Und es gibt auch Silberstreifen am Horizont. So wird die Anpassung der Strukturen (Kapazitätsabbau, Verlagerung von Produktion in die USA und nach Osteuropa) zwar die Ertragslage in den nächsten Jahren belasten, könnte aber zu einer Neubewertung führen. Außerdem hat sich das Durchschnittsalter der Autos sowohl in den USA als auch in Europa drastisch erhöht. In den USA sind die PKW inzwischen durchschnittlich 14 Jahre alt und in Europa lag der Schnitt nach den neuesten Zahlen aus 2023 auch schon bei 12,5 Jahren. Das Verbraucherverhalten hat sich zwar verändert von einer besitzorientierten zu einer eventgetriebenen Gesellschaft. Lieber fährt man seine alte Kiste noch drei Jahre länger und gönnt sich dafür einen zusätzlichen Urlaub auf Bali. Doch irgendwann braucht man doch ein neues Auto oder es fallen Reparaturen mit teuren Ersatzteilen an.

Chemieaktien: Schwere Belastungen durch politisches Eigentor!

Auch die Chemieindustrie steckt in der Krise. Ursächlich sind die steigenden Energiekosten durch den Wegfall des preiswerten Russengases. Wenn man mit Sanktionen den Ast absägt, auf dem man sitzt, kann man dies nur als Schildbürgerstreich bezeichnen. Doch auch die wachsende Weiterverarbeitung von Öl und Gas zu Basischemieprodukten durch die Ölförderländer sorgt für steigende Konkurrenz. Dennoch wird auch die Chemieindustrie von einer konjunkturellen Belebung profitieren, da ihre Produkte in fast allen industriellen Produktionsprozessen benötigt werden. Auch hier wird durch die Produktionsverlagerung ins Ausland mit niedrigeren Energiekosten und die Umstellung auf Spezialchemikalien die Strukturkrise in den nächsten Jahren überwunden oder zumindest deutlich entschärft. Und der aktuelle Preisverfall bei Öl und Gas sollte sich auf der Kostenseite entlastend bemerkbar machen.

Die Überwindung von Strukturkrisen benötigt Zeit. Wahrscheinlich ist es deswegen für den verstärkten Positionsaufbau in den beiden Branchen noch zu früh. Doch sollte die Entwicklung aufmerksam verfolgt werden, da sich hier eine Kaufgelegenheit nach dem UUU-Prinzip auftun könnte: Die entsprechenden Aktien müssen unbeliebt, unterbewertet und in den Depots der Anleger untergewichtet sein.

Aktuelle Anlagestrategie

Wir bleiben mit einer Aktienquote von 65% weiter im neutralen Bereich investiert. Bei weiteren deutlichen Kursrückgängen werden wir die Aktienquote schrittweise erhöhen. 5% bis 10% halten wir in Gold und Silber. Als Liquiditätspolster dienen kurzlaufende Anleihen bester Bonität. Insofern bleibt die Anlagestrategie unverändert. Im ersten Quartal wurden aber weitere US-Aktien (3M, CISCO, PAYPAL, IBM, Ebay) mit deutlichem Gewinn verkauft. Die freiwerdenden Mittel wurden in Europa und Asien reinvestiert. Diese Regionen sind deutlich übergewichtet, weil wir hier auf längere Sicht ein erhebliches Kurspotential sehen.

Weiter gute Börsenerfolge wünscht Ihnen

Ihr
Peter E. Huber

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